Psychisch krank: Welche sozialen Leistungen stehen mir zu?

Noch immer werden viele Menschen – auch in unseren Breiten – aufgrund einer psychischen Erkrankung stigmatisiert und ausgegrenzt. Die Vorurteile gegenüber ihnen sind groß und lassen sich zumeist nur durch persönliche Aufklärung entkräften. Nicht nur darunter leiden die Betroffenen, sondern auch die oftmals überraschend eintretende, facettenreiche und unberechenbare Symptomatik seelischer Krankheiten stellen sie vor erhebliche Herausforderungen. Nebenbei belasten dann auch psychosoziale Fragen – ob nun beim Umgang mit dem Störungsbild im Berufsalltag, gegenüber Familie oder Freunden und nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und möglichen Ursachen des Geschehens. Oftmals werden Erkrankte in solchen Situationen dann auch in soziale Unwägbarkeiten gerissen und verlieren den gesellschaftlichen Halt – obwohl das deutsche Sozialsystem zahlreiche Leistungen kennt, die Menschen in derartigen Lagen unterstützen.

An dieser Stelle soll eine Auswahl dieser Fördermöglichkeiten aufgezählt werden:

Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II / „Hartz IV“):

Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich zumeist als „Hartz IV“ bezeichnet) ist eine Grundsicherung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte. ALG II kann auch bezogen werden, wenn vorher kein ALG I erhalten wurde. Für den Bezug von ALG II ist keine Arbeitslosigkeit notwendig. ALG II kann auch ergänzend zu anderen Einkommen, beispielsweise aus Arbeitsleistungen, bezogen werden („Aufstockung“). Grundsätzlich Berechtigte sind Personen ab dem 15. Lebensjahr, die noch nicht die Altersgrenze erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind. Erwerbsfähig sind Menschen, die nicht aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande sind, mindestens drei Stunden täglich einer Arbeitsleistung nachzugehen. Hierbei spielt die Art der Arbeit prinzipiell keine Rolle, allerdings muss auf etwaige körperliche, seelische oder geistige Einschränkungen der jeweiligen Person entsprechende Rücksicht genommen werden. Hilfebedürftig sind Menschen, die aufgrund von unterschiedlichsten Beeinträchtigungen nicht in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten (hierbei muss allerdings die Möglichkeit einer Versorgung durch Angehörige oder sonstige Sozialleistungen, beispielsweise Wohngeld oder Kinderzuschlag, berücksichtigt werden) oder deren Arbeitslosengeld so gering ist, dass eine Aufstockung zur Sicherung des Lebensunterhaltes notwendig wird. ALG II ist grundsätzlich anderen Sozialleistungen nachrangig. Der Antrag auf ALG II ist beim „Jobcenter“ der jeweiligen Kommune zu stellen. Der Antragssteller besitzt gegenüber dem Kostenträger eine Mitwirkungspflicht, die auch eine Mitteilungs- und Auskunftspflicht umfasst – und gegebenenfalls auch Dritte betreffen kann, beispielsweise unterhaltspflichtige Angehörige. Die Höhe des ALG II ergibt sich aus dem jährlich neu festgelegten Regelbedarf, entsprechenden Mehrbedarfen sowie Leistungen für Heizung und Unterkunft. Der Leistungsberechtigte kann mit Sanktionen belegt werden, wenn üblicherweise eine entsprechend schriftliche Rechtsfolgenbelehrung bei einer Pflichtverletzung erfolgt ist. Eine einfache Pflichtverletzung mit einer erstmaligen Minderung des ALG II um maximal 30 Prozent kann erfolgen, wenn Eigenbemühungen ausbleiben, zumutbare Arbeit abgelehnt oder nicht fortgeführt wird oder vorgesehene Weiterbildungsmaßnahmen vorzeitig abgebrochen werden. Maximal 10 Prozent der Leistung kann gekürzt werden, wenn der Leistungsbezieher bei vereinbarten Terminen ohne wichtigen Grund nicht erscheint oder eine entsprechende psychologische oder medizinische Begutachtung versäumt.

Erwerbsminderungsrente:

Erwerbsminderungsrente kann erhalten, wer auf dem üblichen Arbeitsmarkt unter den normalerweise gegebenen Umständen nurmehr in der Lage ist, weniger als sechs Stunden täglich eine Erwerbstätigkeit zu erbringen. Die Ursache für die Erwerbsminderung ist unerheblich. Sie darf allerdings nicht absichtlich herbeigeführt worden sein. Teilweise erwerbgemindert ist, wer weniger als sechs Stunden, aber mehr als drei Stunden täglich Arbeitsleistung erbringen kann. Voll erwerbsgemindert ist, wer weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann. Die Erwerbsminderung muss auf absehbare Zeit, mindestens aber sechs Monate, bestehen und bezieht sich auf die Bedingungen des regulären Arbeitsmarktes. Im Zweifel haben medizinische und berufliche Rehabilitation vor der Rente Vorrang. Neben den gesundheitlichen Voraussetzungen sind auch versicherungsrechtliche Bedingungen zu erfüllen: Der Betroffene muss vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens fünf Jahre bei der DRV versichert sein, während dieser Zeit müssen mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt worden sein.

Berufliche und medizinische Rehabilitation:

Leistungen der beruflichen Teilhabe sind insbesondere Maßnahmen für Menschen mit Behinderung zum Erhalt oder zur Erlangung einer Berufstätigkeit, beispielsweise durch Umschulung, Weiterbildung und Training. Daneben zählen auch Berufsvorbereitung, Grundausbildung, Unterstützte Beschäftigung durch individuelle Qualifizierung, Berufsausbildung (auch schulisch), berufliche Anpassung, Gründungszuschüsse, Kraftfahrzeughilfen, Arbeitsassistenz, Fahr- und Pendelkosten, technische Arbeitshilfen oder behindertengerechte Arbeitsplatzausstattung dazu. Orte der beruflichen Rehabilitation können Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und äquivalente Einrichtungen sowie WfbM sein. Kostenträger können – je nach Voraussetzungen – Arbeitsagentur, Rentenversicherung, Unfallversicherung, Jugend- und Sozialhilfeträger sein. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können sein: Ambulante und stationäre Rehabilitationsmaßnahmen, Anschlussheilbehandlungen, Kinderheilbehandlungen, Familienorientierte Rehabilitation, Rehabilitation für Väter und Mütter, Onkologische Nachsorge, Geriatrische Rehabilitation, Stufenweise Wiedereingliederung, Sozialpädiatrische (nichtärztliche) Rehabilitation, Sozialmedizinische Nachsorge für Kinder, Frühförderung von Kindern mit Behinderung, Entwöhnungsbehandlungen. Medizinische Rehabilitation muss medizinisch notwendig sein und beantragt werden. Kostenträger ist die Rentenversicherung, wenn die medizinische Rehabilitation geeignet erscheint, um Erwerbsfähigkeit zu sichern, wiederherzustellen oder zu bessern – sowie versicherungsrechtliche Voraussetzungen gegeben sind. Sofern sie nicht vorliegen, kommt die Krankenversicherung als Kostenträger für die medizinische Rehabilitation in Betracht. Die Kostenzusage muss vor der Einleitung der Rehabilitationsmaßnahme erfolgen. Anspruch auf eine ausgewählte Rehabilitationseinrichtung besteht nicht. Während der Rehabilitation sind Entgeltfortzahlungen, Krankengeld, Übergangsgeld oder Verletztengeld möglich.

Schwerbehinderteneigenschaft:

Schwerbehindert sind Menschen, die durch körperliche, geistige oder psychische Funktionseinschränkungen für mindestens sechs Monate vom Vergleichszustand Gesunder im selbigen Alter erheblich abweichen und durch ihre Beeinträchtigungen deutliche Schwierigkeiten bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erfahren. Die Schwerbehinderung wird anhand versorgungsmedizinischer Grundsätze auf Grundlage der vorliegenden Funktionsstörungen, die ihre Ursache u.a. in Krankheit, Unfall oder genetischen Faktoren haben können, durch Aktenlage bestimmt. Sie wird im „Grad der Behinderung“ (GdB) ausgedrückt, der zwischen 0 und 100 in Zehnerschritten gestaffelt wird. Schwerbehinderung liegt ab einem GdB von 50 vor, behinderte Personen mit einem GdB von mindestens 30 können sich bei der Agentur für Arbeit einem schwerbehinderten Menschen gleichstellen lassen, um entsprechende Rechtsansprüche, vor allem am Arbeitsplatz, zu erhalten. Voraussetzung ist dabei, dass ohne diese Gleichstellung ein Beschäftigungsverhältnis nicht gefunden oder nicht aufrechterhalten werden kann. Ab GdB 50 wird ein Schwerbehindertenausweis als Nachweis ausgestellt. Dieser berechtigt zur Inanspruchnahme von zahlreichen Nachteilsausgleichen, je nach Höhe des Gesamt-GdB. Ausgleichsleistungen können – teils unter weitergehenden Voraussetzungen – unter anderem wie folgt sein: Zusatzurlaub, erhöhter Kündigungsschutz, Sonderform der Altersrente, Arbeitsbeschäftigungspflicht, Steuervergünstigungen, Pausch- und Freibeträge, Nachteilsregelungen im Studium. Es können zusätzlich sogenannte Merkzeichen anerkannt werden, die unter bestimmten Voraussetzungen gewährt werden und zu weiteren spezifischen Nachteilsausgleichen führen. Merkzeichen sind: „G“ (erhebliche Gehbehinderung), „B“ (Begleitperson notwendig), „H“ (Hilflosigkeit), „aG“ (Außergewöhnliche Gehbehinderung), „Bl“ (Blindheit), „Gl“ (Gehörlosigkeit“) und „RF“ (Rundfunkbeitrag).

Eingliederungshilfe:

Eingliederungshilfe erhalten Menschen, die behindert oder von einer Behinderung bedroht sind. Sie setzt eine Bedürftigkeit voraus, sodass ab bestimmten Einkommens- und Vermögensgrenzen ein eigener Beitrag zur Eingliederungshilfe geleistet werden muss. Eingliederungshilfe steht prinzipiell auch Ausländern zu. Eingliederungshilfe wird in Leistungen zur sozialen Teilhabe (Leistungen zur Mobilität, zur Förderung der Verständigung, zum Erwerb und Erhalten von praktischen Fähigkeiten, Assistenzleistungen, Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie, Hilfsmittel, heilpädagogische Leistungen), zur Teilhabe am Arbeitsleben (Hilfe zum Erhalt und zur Aufrechterhaltung von Arbeit, Berufsförderung und Berufsvorbereitung, berufliche Eingliederung, geschützte Ausbildung, betriebliche Qualifizierung, Anpassung und Fortbildung, „Budget für Arbeit“) sowie zur Teilhabe an Bildung (schulische, hochschulische, berufliche Aus- und Weiterbildung) gewährt. Für Kinder und Jugendliche sind Integrationsmaßnahmen wie Integrationshelfer und gegebenenfalls Maßnahmen zur individuellen sonderpädagogischen Bildung möglich. Die Hilfen sind beim Landratsamt oder dem jeweiligen Stadtkreis zu beantragen.

Sozialhilfe:

Unter der „Sozialhilfe“ werden in Deutschland verschiedene Leistungen verstanden, welche hilfebedürftigen Menschen ein soziokulturelles Existenzminimum und eine gesellschaftliche Teilhabe sichern sollen. Hilfebedürftigkeit besteht insbesondere dann, wenn es dem Betroffenen nicht möglich ist, aus eigenem Einkommen und Vermögen den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Insofern sind fast alle Leistungen der Sozialhilfe vermögens- und einkommensabhängig. Sie sind außerdem sämtlichen anderen Sozialleistungen nachrangig. Zum Einkommen gemäß SGB XII gehören die dortig erwähnten Leistungen selbst, Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, Renten nach Bundesentschädigungsgesetz, Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege (unter Bedingungen), Arbeitslosengeld II eines erwerbsfähigen Ehepartners etc. Vom Einkommen abzusetzen sind demnach darauf entrichtete Steuern, Pflichtbeiträge in die Sozialversicherung, Arbeitsförderungsgeld, Werbungskosten sowie vorgeschriebene oder angemessene Versicherungsbeiträge. Vor Gewährung von Sozialhilfe muss Vermögen aufgebraucht werden. Ausgenommen davon sind Vermögen aus öffentlichen Mitteln (die der Sicherung des Lebensunterhaltes dienen), angemessener Hausrat, Vermögen zur Beschaffung und Erhaltung von Wohnbaugrundstücken für behinderte und pflegebedürftige Personen, ein angemessenes, selbstbewohntes Hausgrundstück, staatlich bezuschusste Altersvorsorge, Gegenstände zur Berufsausübung, Familien- und Erbstücke, Gegenstände und Utensilien zur künstlerischen und wissenschaftlichen Ausübung sowie geringe Beträge an Bargeldern (in der Regel 5.000 EUR).

Leistungen aus der Pflegeversicherung:

Pflegebedürftigkeit definiert sich als körperliche, geistige und psychische Behinderung oder gesundheitliche Belastung, die nicht selbstständig kompensiert werden kann und mindestens über sechs Monate andauert. Sie wird gemessen an der erheblichen Einschränkung in den Bereichen Mobilität, Kognition und Kommunikation, Verhalten und Psyche, Selbstversorgung, Umgang mit krankheitsbedingten Umständen, Gestaltung von Alltag und sozialen Kontakten. Für den Erhalt von Leistungen aus der Pflegeversicherung ist die Feststellung eines sogenannten „Pflegegrades“ notwendig, der mithilfe eines Bewertungsmoduls anhand der oben genannten sechs Fertigkeitsbereichen in Gewichtung durch eine medizinische Begutachtung, zumeist im häuslichen Umfeld, ermittelt wird. Leistungen werden als Geldleistungen („Pflegegeld“) oder durch Bereitstellung ambulanter Pflege durch einen Fachdienst („Pflegesachleistung“) im Umfang und Höhe des jeweils festgestellten Pflegegrades in fünf Abstufungen erbracht. Es kann auch eine Mischung vorgenommen werden, wobei der Pflegebedürftige selbst entscheidet, in welchem Verhältnis Sach- und Geldleistung stehen. Beim Bezug von Pflegegeld ist der Pflegebedürftige selbstverantwortlich, entsprechend geeignete Pflege sicherzustellen (beispielsweise durch Angehörige oder Ehrenamtliche als Pflegeperson) und wird dazu regelhaft durch entsprechende Gespräche von geschultem Personal beraten (Beratungsbesuche). Weitere, für den Bedarfsfall in Frage kommende Leistungen: Teilstationäre Tages- und Nachtpflege, Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege, zweckgebundener Entlastungsbetrag für niederschwellige Betreuungsangebote etc., Pflegehilfsmittel, Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen, Pflegekurse für Angehörige usw. Pflegeleistungen müssen bei der Pflegekasse der Krankenversicherung durch den Pflegebedürftigen selbst, einen Vormund oder einen gesetzlichen Vertreter (Betreuer) beantragt werden. Nach Eingang hat die Pflegekasse innerhalb von fünf Wochen über den Antrag zu befinden, andernfalls muss eine finanzielle Entschädigung an den Antragssteller gezahlt werden. Grundsätzlich sind eine Herabstufung und Höherstufung jederzeit möglich, wenn dies vom Pflegebedürftigen beantragt beziehungsweise durch erneute Begutachtung, beispielsweise bei etwaigen Befristungen, festgestellt wird.

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Dennis Riehle

Psychologischer und Psychosozialer Berater 

Sozialrecht (zertifiziert) | Integrationsberater | Coaching

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