Nachruf Dorothea Buck

Wir trauern um Dorothea Buck, die wohl bedeutendste Aktivistin für die Sache von psychisch erkrankten Menschen, die am 9.10.2019 im Alter von 102 Jahren friedlich eingeschlafen ist.

Im Gegensatz zur heutigen Aktivisten, die nur möglichst laut protestieren möchten, hat Frau Bock mehrere nachhaltige Lösungen zur Verbesserung der Situation von psychisch kranken Menschen geschaffen.

An unserem Selbshilfetag hat der LVPBW ihrer gedacht.

Dorothea Buck war vermutlich die letzte Zeitzeugin, die das Grauen in der Psychiatrie in der Nazizeit noch am eigenen Leib mitbekommen musste.

1936, im Alter von neunzehn Jahren, wurde sie mit der Diagnose „Schizophrenie“ eingewiesen. Dort lernte sie erstmals die menschenverachtenden, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblichen Praktiken in der Psychiatrie kennen – wie Dauerbäder und Kaltwasserkopfgüsse zur „Disziplinierung“. Als besonders erniedrigend empfand sie jedoch die „völlige Sprachlosigkeit“: Die Patienten untereinander hatten Sprechverbot, Gespräche zwischen Personal und Patienten waren unüblich.

Sie gehörte zu den Opfern der Zwangssterilisation und musste zusehen, wie unzählige psychisch-kranke Menschen euthanasiert, d.h. getötet wurden.

Seither hat sie für eine menschliche Psychiatrie gekämpft. Sie hat zusammen mit dem Psychologen Herrn Bock das erste Psychose-Seminar ins Leben gerufen und somit den Trialog, also Gespräche zwischen Patienten, Angehörigen und Profis erst möglich gemacht.

1992 gründete Sie als erste Interessenvertretung den Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, deren Ehrenvorsitzende sie bis zu Ihrem Tod war.

Sie hat früh erkannt, dass psychisch erkrankte Menschen Experten aus Erfahrung sind und anderen dadurch helfen können. Mit Ihrer Stiftung hat sie sich für alle Arten von Peer-Support-Workern und Genesungsbegleitern eingesetzt. Der Erfolg von EX-IN wäre ohne ihre Arbeit sicherlich nicht möglich gewesen.

Ausgerechnet sie, die von den Nazis als „lebensunwertes Leben“ eingestuft worden ist, hat alle ihre Peiniger mit 102 Jahren nicht nur nachhaltig überlebt, sondern hat in ihrem Leben viele gute, nachhaltige und sinnvolle Dinge geschaffen!

Wir werden sie immer in ehrendem Gedenken behalten.