Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen

Die SPD in Baden-Württemberg wollte mit einem Antrag erreichen, dass bei der kommenden Kommunalwahl alle Menschen mit Behinderungen in Baden-Württemberg das Wahlrecht besitzen sollen. Derzeit sind Menschen, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist, vom Wahlrecht ausgeschlossen. In Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sind entsprechende Gesetzesänderungen bereits  erfolgt.

In der Sitzung vom 16. Mai 2018 des Innenausschusses im Baden-Württembergischen Landtag ist dieser Antrag  an der grün-schwarzen Regierungsmehrheit gescheitert.

Das bedauert der Landesverband Psychiatrie Erfahrener Baden-Württemberg sehr und hat deshalb einen offenen Brief an die Verantwortlichen geschrieben.

Hier der Wortlaut:

Offener Brief des Landesverband Psychiatrie Erfahrener Baden-Württemberg e.V.

  •  an Herr Ministerpräsident Winfried Kretschmann
  • an die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen von:
  • Bündnis 90/ Die Grünen: Andreas Schwarz
  • CDU: Prof. Dr. Wolfgang Reinhart
  • SPD: Andreas Stoch
  • FDP/DVP: Dr. Hans-Ulrich Rülke
  • nachrichtlich an die Landesbehindertenbeauftragte Frau Stephanie Aeffner

Alle Behinderte müssen wählen dürfen

Auch der Landesverband der Psychiatrie Erfahrenen Baden-Württemberg fordert das
Wahlrecht für alle Behinderte.

Das Wahlrecht ist eines der elementarsten Rechte in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung, ein „politisches Grundrecht“. Als wesentliches politisches Teilhaberecht ist das Wahlrecht das „vornehmste Recht des Bürgers im demokratischen Staat“. Durch die Beteiligungsmöglichkeit des Staatsbürgers an der politischen Willensbildung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz (GG) ist das Wahlrecht ein wesentlicher Teil des Demokratieprinzips, Art. 20 Abs. 1 GG. Die Wahlrechts-Grundsätze der Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG sichern die von diesem Prinzip vorausgesetzte Egalität der Staatsbürger und damit deren Recht auf einen gleichen Anteil an der Ausübung der Staatsgewalt. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl gewährleistet – ebenso wie der Grundsatz der Gleichheit der Wahl – die politischen Einflusschancen des gesamten Volkes – ungeachtet der sozialen Schichtung, der Gruppenzugehörigkeit oder sonstiger möglicher Differenzierungsmerkmale.

Der Landesverband Psychiatrie Erfahrener Baden-Württemberg unterstützt die  Landesbehindertenbeauftragte Stephanie Aeffner in ihren Bestrebungen auch für Baden-Württemberg das Wahlrecht für alle Behinderte möglich zu machen.

Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben den Ausschluss-Paragraphen inzwischen abgeschafft – für die Landtagswahl. In Berlin gab es die Regelung erst gar nicht. Im Rest Deutschlands aber schon. Seit vier Jahren wollen Behindertenverbände die Klausel überall abschaffen. Auch die meisten Parteien können sich das vorstellen. Aber das Thema habe einfach keine große Lobby, sagt Aeffner.

Hintergrund: Nach einer Studie der Bundesregierung sind in Deutschland rund 85.000 Menschen vom Wahlrechtsausschluss betroffen – überwiegend voll betreute Menschen mit Behinderung. Auf Bundesebene dürfen auch Menschen nicht wählen, die schuldunfähig gesprochen in der Psychiatrie sitzen.

In Baden-Württemberg sind 6.130 Menschen ausgeschlossen. Kritiker befürchten außerdem, dass Angehörige das Wahlrecht missbrauchen könnten und deren Entscheidungen beeinflussen. Das könne immer passieren, sagt Aeffner. Auch bei Menschen ohne Behinderung. Aber da frage niemand, wie gut der Mensch sich politisch informiert. Der Staat müsse dagegen auch für Barrierefreiheit sorgen.

In der heutigen Sitzung (16. Mai 2018) des Innenausschusses im Baden-Württembergischen Landtag ist ein Änderungsantrag der SPD-Landtagfraktion zum inklusiven Wahlrecht an der grün-schwarzen Regierungsmehrheit gescheitert. Das bedauert der Landesverband Psychiatrie Erfahrener Baden-Württemberg sehr.

Die SPD wollte mit ihrem Antrag erreichen, dass bei der kommenden Kommunalwahl alle Menschen mit Behinderungen in Baden-Württemberg das Wahlrecht besitzen sollen. Derzeit sind Menschen, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist, vom Wahlrecht ausgeschlossen. In Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sind entsprechende Gesetzesänderungen bereits  erfolgt.

Die Landesregierung von Brandenburg hat vor kurzem einen entsprechenden Gesetzentwurf in ihren Landtag eingebracht. In Hamburg sind sich alle Fraktionen der Bürgerschaft einig, das Wahlrecht so zu ändern.

Und auch die Koalitionsfraktionen im Bund haben vereinbart, bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Europäischen Parlament die bestehenden Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderungen aufzuheben. „Andere Bundesländer sind da viel weiter. Ich verstehe nicht, warum das in Baden-Württemberg nicht möglich sein soll. Es zeigt sich, eine fortschrittliche  Behindertenpolitik hat bei Grün-Schwarz keinerlei Priorität“, bilanziert Wölfle. Und die Zusage, nach einer positiven Entscheidung, das Gesetz noch einmal aufmachen zu wollen, sieht Wölfe äußerst kritisch: „Für die nächsten Kommunalwahlen wird der Zug dann abgefahren sein.“

Wir begrüßen den Antrag der SPD zum Wahlrecht für Menschen mit Behinderung sehr.

DER VORSTAND